Making-of
Ein Lexikon

Making-of. Ein Lexikon versammelt Texte zum Begriff Making-of. Die Online-Plattform wurde von Studierenden der Geistes- und Kulturwissenschaften initiiert. Sie widmet sich der Erforschung verschiedenster Making-of-Formate in der Gegenwartskultur und kann um neue Begriffe und Texte erweitert werden.

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Gerhard Richter Painting

Gerhard Richter Painting (2011) ist ein Dokumentarfilm von Corinna Belz, der den Künstler bei der Arbeit an einer abstrakten Bildserie zeigt. Über einen Zeitraum von drei Jahren wird Richter in seinem Kölner Atelier begleitet, um den gesamten Prozess von der Bespannung der Leinwände bis hin zur Ausstellung der Bilder zu verfolgen. Richter wird in seinem privaten Atelier beim Anrühren der Farbe, bei der Arbeit mit der Rakel auf der Leinwand, beim Überprüfen der verschiedenen Produktionsstufen und beim Betrachten der finalen Werke beobachtet. Der Film, der sich als Making-of dem Prozess des Malens wie auch der Person Richters verschreibt, kommt ohne Sprecherkommentare aus. Nur vereinzelt werden Gespräche vor der Kamera sowie Atelierbesprechungen, Pressekonferenzen und Archivaufnahmen gezeigt.

Wie der auf das Prozessuale und den Aspekt des Machens deutende Titel suggeriert, versucht die Regisseurin, den künstlerischen Prozess für sich sprechen zu lassen: „Oft wird der Maler gefragt: Was haben Sie sich dabei gedacht? Man kann sich aber nichts dabei denken, weil es eine andere Form des Denkens ist“ (Richter zit. nach Reichert). Im Mittelpunkt des Films stehen Richters Techniken und die Bearbeitung bereits begonnener Bilder, ihre komplette Übermalung oder die Freigabe fertiger Arbeiten. Diese Schwerpunktsetzung ist ganz im Sinne Richters, der wiederholt betont: „Über Malerei zu reden, hat keinen Sinn“ (zit. nach Höhne). Der Künstler lehnt damit eine sprachliche Auseinandersetzung mit malerischen Prozessen ab; und auch seine Assistenten finden nur kurze Erläuterungen, „als müsste eine anstrengende Übersetzungsleistung erbracht werden“ (Reichert). In diesem Sinne stellt sich für ein Making-of von Richters Arbeit die Frage, ob eine filmische Vermittlung dort weiterhelfen kann, wo die Sprache versagt.

Richter selbst betont zu Beginn der Dreharbeiten, dass Malen „eine heimliche Angelegenheit“ sei: „Wenn ich weiß, ich werde gefilmt, dann gehe ich anders, irgendetwas ist dann anders“ (zit. nach Höhne). Daher lässt die Regisseurin ihn auch zu Beginn selbst die Kamera auf einem Stativ befestigen und demonstriert so sein Einverständnis mit dem Gezeigten (vgl. Butin).

Obwohl der Film versucht, durch die physische Präsenz Richters an dem nonverbalen Dialog zwischen ihm und dem Bild teilhaben zu lassen, äußert sich Richters ehemaliger Assistent Hubertus Butin kritisch zu Belz’ Herangehensweise. Die komplexe Genese der abstrakten Malereien würde zwar eine Beobachtung lohnen, die ein „wichtiges historisches Dokument zur künstlerischen Malpraxis Gerhard Richters“ sei, doch liefere der Film kaum mehr als „reine Schauwerte“, die den Betrachter unterforderten; eine „intellektuelle Durchdringung des Gezeigten“ finde dagegen „schlichtweg nicht statt.“ Dieser Konflikt sei der ihr durchaus bewusst gewesen, so die Regisseurin dagegen, doch habe sie Prioritäten setzen müssen: „Was mich am meisten interessierte, war die Arbeit im Atelier. Die Gegenwart. Der genuine Prozess, Farbe auf eine Leinwand zu bringen.“ Dennoch scheint Belz den Künstler „für den besten Exegeten seines Werks“ (Rauterberg) zu halten, verleitet sie ihn doch immer wieder mit ihren Fragen zu lakonischen Kommentaren, die selbst ein bestimmtes Künstlerbild inszenieren.

Der Film spielt mit dem Wissen um Richters Unnahbarkeit und betont die Einmaligkeit der Möglichkeit, dem scheuen Künstler im Massenformat des Kinofilms nahe zu kommen und das vermeintliche Geheimnis seiner Arbeit zu lüften. Dabei wird immer wieder deutlich, dass es im Laufe der Arbeit auch zu Umwegen und Zufällen kommt, die tatsächlich eine wesentliche Rolle für den Fortgang des Prozesses spielen. Belz’ Film präsentiert daher sowohl intuitive Entscheidungen als auch kritische Betrachtungen und Zweifel als wichtige Entwicklungsstufen, die weitere Arbeitsschritte prägen oder neue Produkte hervorbringen. Da weder isolierbare Produkte noch rein intentionale Vorgehensweisen auszumachen sind, so das filmische Resümee, darf grundsätzlich nicht von einer Linearität kreativer Prozesse ausgegangen werden.

Quellen

Belz, Corinna. „Director’s Note.“ In: Gerhard Richter Painting [Website zum Film], http://www.gerhard-richter-painting.de/directors_note.php [Letzter Zugriff: 2. April 2013].

Butin, Hubertus: „Gerhard Richter auf der Leinwand.“ In: Texte zur Kunst vom 25. Juli 2011, http://www.textezurkunst.de/daily/2011/jul/25/gerhard-richter-corinna-belz-hubertus-butin [Letzter Zugriff: 1. März 2013].

Gerhard Richter Painting. Deutschland 2011, Regie: Corinna Belz.

Höhne, Arne (Hg.): Presseheft Gerhard Richter Painting. Berlin 2011.

Rauterberg, Hanno: „Weggerakelt. Ein Kinofilm will das große Gerhard-Richter-Geheimnis lüften.“ In: Zeit Online vom 8. September 2011, http://www.zeit.de/2011/37/Film-Gerhard-Richter [Letzter Zugriff: 2. April 2013].

Reichert, Kolja: „Die intimen Momente des Malers Gerhard Richter.“ In: Die Welt vom 7. September 2011, http://www.welt.de/kultur/kino/article13585995/Die-intimen-Momente-des-Malers-Gerhard-Richter.html [Letzter Zugriff: 2. April 2013].