Making-of
Ein Lexikon

Making-of. Ein Lexikon versammelt Texte zum Begriff Making-of. Die Online-Plattform wurde von Studierenden der Geistes- und Kulturwissenschaften initiiert. Sie widmet sich der Erforschung verschiedenster Making-of-Formate in der Gegenwartskultur und kann um neue Begriffe und Texte erweitert werden.

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Faking-of

Beim Faking-of handelt es sich um ein Format, das die etablierten Gemeinplätze und Verfahren des klassischen Making-of-Films auf satirische Weise imitiert. In der DVD-Kultur sind Making-ofs nicht mehr allein für kanonisierte Titel bzw. technisch aufwändige Blockbuster-Produktionen reserviert. Vielmehr hat ihre Allgegenwart dazu geführt, dass die Rezipienten Vertrautheit mit den generischen Spielregeln und Erzählstrukturen des Making-ofs entwickeln konnten. In Anknüpfung an Wortmanns These, der im DVD-Making-of auftretende kreative Kollektiv-Körper stelle nur ein Substitut für die eigentlichen, „unterhalb der Schwelle ihrer Abbildbarkeit“ liegenden Prozesse dar (49), erweist sich, dass die Beteiligten häufig ein im Erscheinungsbild stark uniformes Stück zur (Wieder-)Aufführung bringen. So beinhaltet die 2012 erschienene BluRay von Jaws (1975) zwei verschiedene Making-ofs aus den Jahren 1995 und 2007, in denen z.T. dieselben Mitwirkenden zu Wort kommen und identische Anekdoten erzählen. Berücksichtigt man zudem, dass einige Making-ofs bereits das Verhältnis von Haupt- und Nebentext deutlich verschoben haben (Buckaroo Banzai Declassified, 2002; Lost in La Mancha, 2007), wird auch die Etablierung von Faking-ofs nachvollziehbar. Diese rekurrieren auf die ‚mockumentary‘-Tradition, die v.a. seit den 1960er-Jahren den Dokumentarfilm mit dessen eigenen Stilmitteln parodiert und häufig künstlerische Prozesse zum Thema hat (The Rutles, 1978; This Is Spinal Tap, 1984). Die verwendeten Codes – u.a. die Autorität des Voice-Over-Kommentars, Archivfotos, Handkameraeinsatz, imperfekte Bildästhetik, als ‚talking heads‘ auftretende Experten und Zeitzeugen (vgl. Kleinschnitger 55f.) – kommen auch im Faking-of zum Einsatz, das zudem das satirische Projekt des ‚mockumentary‘ teilt: „to engage in a sustained critique of the set of assumptions and expectations that support the classic modes of documentary“ (Roscoe 910). Hierzu zählt etwa die angebliche Objektivität des Standpunkts angesichts einer postmodernen Problematisierung des Begriffs der Authentizität. Faking-ofs bilden eine Variante des künstlerischen Fakes bzw. ‚hoax‘, der traditionell vermittels eines von Künstlerkollektiven ersonnenen, mit Biographie und Werkkatalog ausgestatteten Strohmanns (wie Nat Tate oder Georg Paul Thomann) zwischen Teilhabe am Kulturbetrieb und Zurschaustellung seiner Mechanismen changiert. Dabei hat der Fake zumeist seine eigene Aufdeckung zum Ziel und provoziert den Skandal, um seine Kritik möglichst öffentlichkeitswirksam zu entladen. Wenngleich nicht alle Faking-ofs diesen Kontrakt einhalten, können sie doch als „symbolisches Handeln in symbolischen Räumen“ (Schneider 83) verstanden werden, indem sie sich in satirisch überspitzter Form an gängige Erzählskripte bzw. Plotmomente der verbreiteten Making-of-Erzählung halten.

Wenngleich es nicht auf den Kontext von DVD-Kultur und klassischem Film-Making-of zu beschränken ist, findet das Faking-of hier seine meistverbreitete Form und wendet sich an den medienversierten, filmaffinen Zuschauer, der mit den metareflexiven Strategien des postmodernen Spielfilms vertraut sowie in der Lage ist, das häufig komplexe intertextuelle Geflecht zu entwirren. War der subversive Umgang mit dem DVD-Bonusmaterial zunächst noch die Domäne angeblicher ‚mavericks‘ innerhalb des Studiosystems wie der Coen-Brüder (vgl. Voigts-Virchow), stellen mittlerweile auch ‚big budget‘-Produktionen ihre eigene Gemachtheit aus oder arbeiten mit ,mockumentary‘-Strategien, wie der neuerliche Boom des ‚found-footage‘-Films (Cloverfield, 2008) belegt.

Dass das Faking-of Eingang in den Mainstream gefunden hat, wird am Beispiel von Rain of Madness (2008) deutlich: Dieser Film findet sich als Bonus Feature auf der DVD von Tropic Thunder (2008), einer von Ben Stiller inszenierten Persiflage auf legendäre Hollywood-Kriegsfilme wie Platoon (1986). Darüber hinaus ist Rain of Madness eine Parodie des Making-ofs von Coppolas Apocalypse Now (Hearts of Darkness: A Filmmaker’s Apocalypse, 1991) sowie von Werner-Herzog-Filmen. Making-of-Konventionen und Filmvermarktungsstrategien werden durch Imitation und Überspitzung offengelegt, u.a. durch ziellos mäanderndes Voice-Over oder unpassende Archivbilder. Zudem werden zentrale Topoi des filmischen Making-ofs (u.a. der auf die Rhetorik der Genieästhetik rekurrierende Kampf zwischen unkorrumpierbarem Regisseur und Filmindustrie, die Topik der Schicksalhaftigkeit, Authentifizierungsstrategien) karikiert: In Rain of Madness erscheint der Regisseur als aufgeblasener Möchtegern-‚auteur‘; Interviews entlarven die zynische, pseudo-pazifistische Agenda des Kriegsfilms („The only difference between this film and Vietnam is that, with this film, we’re gonna win.“).

Der in Rain of Madness aufs Korn genommene Werner Herzog nimmt sein Image als kompromissloser Filmpionier in Zak Penns Faking-of Incident at Loch Ness (2004) sogar selbst auf die Schippe. Hier lässt sich Herzog angeblich als Regisseur einer Loch-Ness-Dokumentation verpflichten, fällt dann allerdings den Manipulationen seines sensationsgierigen Produzenten Penn und der gegen ihn arbeitenden Crew zum Opfer. Auch dieser Film stützt sich auf die in Making-ofs perpetuierten Konventionen und Mythen, indem er Herzog als launischen Sturkopf porträtiert, der sich nicht aus dem Schatten der Kinski/Fitzcarraldo-Legende zu lösen vermag, glaubwürdige Interviewpartner zugunsten von illustren Spinnern übergeht und dokumentarisches Ethos mit der Bemerkung abtut, das sei „TV stuff“.

Das Faking-of kann, wie bereits das klassische Making-of, einerseits als Paratext einem Hauptfilm nachgeordnet sein (The Muppets: Scratching the Surface, 2011) und tradierte Distributionskanäle (DVD) wie auch neuere (‚Viral Videos‘) nutzen, es kann aber auch den Haupttext überlagern bzw. ersetzen und die Grenzen zwischen Realität und Fiktion spielerisch verschieben (Exit through the Gift Shop, 2010; I’m Still Here, 2010), beispielsweise indem der ‚hoax‘ in weiteren Paratexten fortgeschrieben, eine Auflösung also verweigert wird.

Quellen

Incident at Loch Ness. USA 2004, Regie: Zak Penn.

Kleinschnitger, Jürgen: Realität oder Fiktion? Ästhetik und Authentizität der Fernsehreportage. Berlin 2009.

Rain of Madness. USA 2008, Regie: Justin Theroux.

Roscoe, Jane: „Mocumentary.“ In: Encyclopedia of the Documentary Film, Bd. 2: H-O. New York 2006, S. 908-910.

Schneider, Frank Apunkt: „Steal the world/Fake it a better place …: The Faking-of Georg Paul Thomann.“ In: Kultur und Gespenster 8 (2009), S. 81-87.

Voigts-Virchow, Eckart: „Paratracks in the Digital Age: Bonus Material as Bogus Material in Blood Simple (Joel and Ethan Coen, 1984/2001).“ In: Werner Huber et al. (Hg.): Intermedialities. Trier 2007, S. 129-139.

Wortmann, Volker: „special extended: Das Filmteam als kreativer Kollektiv-Körper im ,making-of‘.“ In: Hajo Kurzenberger et al. (Hg.): Kollektive in den Künsten. Hildesheim 2008, S. 39-60.