Der Begriff der Authentizität spielt im Selbstverständnis vieler Making-ofs eine entscheidende Rolle, versprechen sie doch oftmals eine Offenlegung des ‚echten‘, ‚unverfälschten‘, eben des authentischen Produktionsprozesses. Die verwickelte Geschichte des Begriffs (gr. ,authentēs‘: Ausführer, Selbstherr) bis zum 19. Jahrhundert belegt sein Auftreten in den verschiedensten Diskursen (vgl. Kalisch 32-43). Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass der aus der griechischen Antike vermittelte Begriff des Authentischen auch noch lange nach seinem ersten Auftreten in der deutschen Sprache als Lehnwort im 16. Jahrhundert (vgl. Hattendorf 63) vor allem eng mit dem des Urhebers und damit oft auch dessen Autorität verknüpft bleibt, sei es in Fragen der Authentizität von Dokumenten oder der Bibelhermeneutik. Erst seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts beschreibt er in der noch heute vorherrschenden eingangs aufgerufenen Wortsemantik eine Vorstellung des ‚Echten‘, ‚Unverfälschten‘, ‚Ehrlichen‘, ‚Natürlichen‘ (vgl. Knaller 2006, 19). Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts tritt der Begriff des Authentischen nicht nur in verschiedensten geisteswissenschaftlichen Disziplinen beinahe ubiquitär auf – auch in der Alltagskultur ist er geradezu zu einem „catchword“ (Knaller 2007, 7) der Werbetexter und Personal Coaches avanciert.
Wohl auch weil der Begriff bei vielen der großen Theoretiker des 20. Jahrhunderts – von Adorno (127-130) über Luhmann bis Habermas (vgl. Knaller / Müller 9f.) – abweichend besetzt ist, wird er heute in verschiedenster Weise, sei es beispielsweise empirisch (Beurteilung der ‚Echtheit‘ eines Werks von Picasso), interpretativ (Beurteilung des Auftretens eines Politikers im Fernsehen) oder normativ (im Sinne einer eigenen Vorstellung davon, wie man sich ‚natürlich‘ verhält), verwendet (vgl. ebd. 8).
Insofern Making-ofs nicht nur eine Prozessbeobachtung, sondern geradezu eine Prozessoffenlegung zum Ziel haben, versprechen sie meist auch eine authentische Beschreibung dieses Produktionsprozesses: So darf der Zuschauer beim Making-of des Films Jurassic Park scheinbar hinter die Kulissen schauen und die Dinosaurier nicht als wiederauferstandene Urzeitmonster, sondern in ihrer ‚echten‘ Form, nämlich als raffinierte und mit hohem Aufwand produzierte Attrappen, kennenlernen. Doch Authentizität im filmischen Making-of erschöpft sich nicht in der Offenlegung mechanischer Produktionsprozesse: Oft wird sie auf einer weiteren Ebene auch in Interviews mit den Darstellern thematisiert, wenn beispielsweise eine Parallele zwischen dem Lebensweg der Hauptdarstellerin und der Entwicklung ihrer Rolle im Film aufgezeigt wird. Ihr Auftreten im Film, so die Botschaft der Making-of-Narration, ist damit von Seiten der Schauspielerinnen und Schauspieler kein ‚Schlüpfen in eine fremde Rolle‘, sondern das Ausspielen eigener Lebenserfahrungen in der ‚Rolle ihres Lebens‘: Als authentisch gilt hier also das, was nicht erfunden oder durch Rollenarbeit aufgebaut werden muss, sondern was der Schauspieler aus seinem eigenen, echten Leben direkt in die Rolle einfließen lässt. Ein ganz ähnlicher Authentizitätsbegriff lässt sich auch in vielen Castingshows finden: Ein Kandidat ist dann authentisch, wenn er ‚bodenständig‘ erscheint, das heißt sich im Prozess des Star-Werdens so gibt, wie er bereits vorher war. Authentizität in Castingshows erschöpft sich also nicht in dem Versprechen, ganz ‚ungeschminkt‘ zu zeigen, wie man ein Star wird, sondern spielt auch im Zusammenhang mit den Kandidaten eine Rolle, die meist den typischen Menschen von der Straße darstellen sollen: Echt, natürlich und vom Starruhm noch unverdorben müssen die Bewerberinnen sein, gerade der Gegensatz zwischen wachsender Prominenz und dem Versuch des Aufrechterhaltens der eigenen Bodenständigkeit bildet nicht selten einen Spannungsmoment derartiger Shows.
Gerade im letzten Beispiel zeigt sich jedoch sehr deutlich, dass es zunächst paradox wirkt, im Zusammenhang mit Making-ofs von Authentizität zu sprechen: Sie beobachten Prozesse nicht nur, sondern inszenieren sie auch. Dass der Kandidat bei Deutschland sucht den Superstar bodenständig, echt und damit authentisch ist, wird dem Zuschauer durch oftmals gestellte Einspielfilme nähergebracht, die den Bewerber beispielsweise bei der Ausübung seines Berufes oder im Kreis seiner Freunde zeigen. Die von Making-ofs versprochene Offenlegung von Produktionsprozessen ist damit grundsätzlich eine inszenierte, was zunächst als größtmöglicher Gegensatz zur Forderung nach Authentizität als Echtheit, Natürlichkeit und Wahrhaftigkeit erscheint.
Angesichts dieser Erkenntnis lässt sich aber die Frage stellen, ob Authentizität und Inszenierung tatsächlich Antonyme darstellen oder ob nicht, wie beispielsweise Erika Fischer-Lichte nahelegt, jede Form von wahrnehmbarer Authentizität notwendigerweise inszeniert ist: „Denn Inszenierung produziert nicht Schein, sondern läßt etwas als gegenwärtig in Erscheinung treten“ (Fischer-Lichte 22). Mit dieser These korrespondieren Beobachtungen, die zeigen, dass oftmals gerade das, was dem Betrachter bzw. Gegenüber als besonders authentisch erscheint, Produkt sorgfältigster Inszenierung ist, sei es beispielsweise der Englische Garten als Sinnbild für die sich völlig selbst überlassene Natur oder die scheinbar so frei fließenden, ‚gefühlsechten‘, aber eben doch genau konstruierten Verse der Hymnen in der Dichtung des Sturm und Drang.
Die Annahme der Inszenierungsbedürftigkeit alles Authentischen lässt den Eindruck von Authentizität beim Zuschauer folglich als Vermittlungsziel vieler Making-of-Formate erscheinen, zu dessen Erreichung verschiedenste Strategien der Inszenierung Einsatz finden.