Der Titel Beethovens Küche bezeichnet sowohl eine Sequenz aus Mauricio Kagels Film Ludwig van. Ein Bericht (1970) als auch einen Ausschnitt aus dessen filmischem Making-of Kagels Beethoven. Bericht über Ludwig van (1970) von Wilhelm Flues. Ludwig van entstand anlässlich des 200. Geburtstags von Beethoven im Auftrag des WDR und in Zusammenarbeit mit renommierten Künstlern, die das in Bonn stehende Geburtshaus des Komponisten um fiktive Räume erweiterten. Kagels Beethoven wurde ebenfalls vom WDR in Auftrag gegeben und ein halbes Jahr nach dem Film ausgestrahlt, ist also ein retrospektives Making-of. Das Verhältnis beider Arbeiten lässt sich mit dem Begriff Komplementarität fassen.
Die im Titel genannte Küche war eine temporäre Installation von Joseph Beuys, die der Künstler am 4. Oktober 1969 in seinem Atelier aufbaute und während des Drehs um zwei kurze Aktionen ergänzte (vgl. Schneede 380). Die Vorbereitung der Dreharbeiten respektive des Drehorts sind in einer Sequenz aus Kagels Beethoven zu sehen, die aus drei Einstellungen besteht: In der ersten sitzen Beuys und Kagel hinter einem flachen Tisch, um sie herum herrscht reges Lärmen und Treiben. Eine männliche Stimme informiert aus dem Off, dass Beuys eine Küche einrichten soll – oder besser: eine Ansammlung von „Zeichen […] für Küche, keine normale Küche“, wie der Künstler selbst bemerkt. Beuys erläutert Kagel, wie er sich ‚seine‘ Sequenz vorstellt. Diese Erläuterungen unterstützt er sowohl gestisch als auch zeichnerisch, das Fernsehpublikum bekommt jedoch weder die Zeichnungen noch die erwähnten Orte und Requisiten zu sehen. Die zweite Kameraposition ist eine Diagonale, die für einen Moment über den Boden verteiltes Arbeitsmaterial in den Blick bringt, über das jemand hinweg steigt. In der dritten und letzten Einstellung versuchen Bildhauer und Regisseur vergeblich, eine aufgeschlagene Partitur mithilfe zweier Hornobjekte von Beuys an der Wand zu befestigen. Kagel lacht über das Scheitern des Versuchs und beschreibt die in sich zusammengefallene Installation als „wagnerianisch“. Beuys erwidert, dass er das Ensemble „heraldisch“ fände und sich etwas anderes überlegen wolle.
Ganz im Sinne eines klassischen Making-ofs scheint Kagels Beethoven demnach die Entstehung eines Films zu thematisieren: Der Bildhauer legt dem Filmemacher dar, welches Ergebnis er erwartet. Dann bauen Beuys und Kagel die ,Küche‘ auf, zeigen dabei allerdings vor allem, was sie nicht tun werden. Dies lässt sich als Hinweis darauf verstehen, dass es dem Fernsehbericht nicht nur um die Entstehung des bereits gesendeten Films, sondern auch um die Entstehung des Making-ofs selber geht, werden doch beständig beide Filmwerdungen anschaulich: Überall im Raum herrscht produktives Chaos. Es ist laut. An den Rändern des Kaders ist die Geschäftigkeit des Filmteams auszumachen. Jemand schreitet über einen Stapel Skizzen hinweg. Kagel tritt aus dem Off in den von der Kamera festgelegten Kader und setzt sich für die Aufzeichnung der Besprechung neben Beuys. Erst danach wird vor den beiden Männern ein Mikrofon aufgestellt. Beuys begleitet seine Ausführungen durch ostentatives Zeichnen. Beuys und Kagel arrangieren Objekte und verwerfen das Arrangement wieder. Das Atelier wird demnach zum Drehort und bleibt zugleich Atelier, in welchem nicht nur während der Dreharbeiten, sondern auch durch die Dreharbeiten zweierlei hergestellt wird: Eine Installation, d.h. die von Beuys in Abstimmung mit Kagel eingerichtete Küche Beethovens, die später filmisch umgesetzt werden soll, und das Making-of Beethovens Küche selbst.