Unter der Produktbezeichnung ,Director’s Cut‘ wird die Schnittfassung eines Films vermarktet, die von einer anfangs im größeren Wirkungskreis veröffentlichten Version abweicht. Der Director’s Cut ist Anlass retrospektiver und zentraler Gegenstand klassischer Making-ofs. In beiden Fällen trägt das Making-of dazu bei, den Widerspruch zu verdeutlichen, der zwischen dem durch den Begriff implizierten Leitbild der geschlossenen künstlerischen Vision eines ‚auteurs‘ und dem offenen Prozess der Restaurierung besteht, wobei suggeriert wird, dass der Director’s Cut den eigentlichen Intentionen des Regisseurs entspricht. Die Herstellungsbedingungen eines Director’s Cut bestätigen jedoch oftmals nicht diese Annahme, so dass bei einer engeren Definition viele geläufige Anwendungen des Begriffs ihre Gültigkeit verlieren könnten. Von wissenschaftlicher Seite wird daher auch die Validität des Begriffs in Frage gestellt (vgl. Berthomé 25f.).
Diese Kritik setzt die Auffassung voraus, dass ein Director’s Cut unter der Hauptverantwortung des Regisseurs geschnitten und von diesem als ultimativ gültige Fassung anerkannt worden sein muss. Sie muss zudem in erklärtem Gegensatz zu einer alternativen Fassung stehen, an deren Final Cut dem Regisseur das Mitspracherecht entzogen worden ist. Prominente Beispiele wie Blade Runner (1982, Director’s Cut 1993, Final Cut 2007) sprechen indes dafür, dass ,Director’s Cut‘ als ein Label aufgefasst werden kann, das nur die relativ größere Übereinstimmung einer Schnittfassung mit einem Konzept des Regisseurs signalisiert, unabhängig davon, ob und in welchem Ausmaß sie auf etwaigen Skizzen basiert, die dieser bereits während der Dreharbeiten erstellt hat.
Als Paratexte einer Director’s Cut-Veröffentlichung thematisieren retrospektive Making-ofs die Konflikte, die sich im Produktionsprozess zwischen den ökonomischen Auflagen und den ästhetischen Entscheidungen des Regisseurs ergeben haben. Weder der Director’s Cut noch seine Paratexte entstehen jedoch außerhalb des Studiosystems, sondern werden seit der Entstehung des Heimvideomarktes in dessen Kalkulationen integriert. Konventionell schließen retrospektive Making-ofs daher mit relativierenden Stellungnahmen, in denen die Koexistenz diverser Versionen eines Films legitimiert wird. Diese Versionen können somit einerseits zielgruppenspezifisch bearbeitet und vermarktet werden, andererseits stehen sie interessierten Fans zum Vergleich bereit.
Die Verleihfirmen selbst lassen alternative Fassungen von Filmen herstellen, für die Regisseure eigens zu entsprechenden Überarbeitungen aufgefordert werden (z.B. Alien – Director’s Cut, 2003) oder für die nur die öffentliche Anerkennung des Regisseurs eingeholt wird (z.B. Amadeus – Director’s Cut, 2002). Das Produkt bleibt somit über ein Netzwerk aller an dem Rehabilitierungsprozess Beteiligten in ständiger Veränderung begriffen. Gegensätzlich dazu verhält sich die konventionelle Dramaturgie des klassischen Making-ofs in einem Director’s Cut, die die wiederhergestellte Geschlossenheit des Werkes als Ende einer Erfolgsgeschichte behauptet. Wenngleich die Herstellung eines Director’s Cut hier als archäologisches Verfahren vermittelt werden soll, zeigt das Making-of auf, dass keineswegs nur die Linearität des Werkes durch zuvor geschnittenes Material restauriert wird. Vielmehr wird die Nichtlinearität des Werkkomplexes durch die Dokumentation von Reinszenierungen und Neuabmischungen offenkundig. Dies wird einerseits auf die erschwerenden Bedingungen des alten Filmmaterials zurückgeführt (so muss der Ton häufig neu aufgenommen werden, z.B. bei Lawrence of Arabia – Restored Director’s Cut, 1989; Die Blechtrommel – Director’s Cut, 2010), andererseits auf die vielfältigen Möglichkeiten der Digitalisierung (etwa die nachträgliche Eliminierung von Fehlern).
Das klassische Making-of verdeutlicht somit die autopoietische Feedbackschleife, in der ein Director’s Cut sowohl durch die Leistungen neuer oder reaktivierter Mitarbeiter als auch durch die Berücksichtigung einer Fangemeinde geformt wird. Vor der Erstellung des ,Final Cut‘ von Blade Runner wurde etwa abgewogen, welche Anschlussfehler sich in der Rezeptionsgeschichte des Films als zu beliebt erwiesen haben, um sie zu korrigieren (vgl. All Our Variant Futures. From Work Print to Director’s Cut. Blade Runner, 2007). Widersprüchlich erscheint demgegenüber auch, dass der dem Begriff inhärente ‚auteur‘-Status des Regisseurs im Making-of verbal beschworen, aber durch die Beobachtung des Kollektiv-Körpers (vgl. Wortmann 50) bei der Arbeit praktisch widerlegt wird.
Dass die Vertreter der ‚auteur‘–Theorie in der Filmzeitschrift Cahiers du cinéma das Recht des Regisseurs auf den Final Cut propagierten, kann als ideologische Voraussetzung des Paratextformates der Einführung gewertet werden, das sich in der DVD-Kultur herausgebildet hat. In ihr beglaubigt der Regisseur den Director’s Cut in einer persönlichen Adressierung der Zuschauer.
Ein wörtliches Verständnis der Bezeichnung ,Director’s Cut‘ müsste ihre Anwendung auf nichtfilmische Phänomene wie das Remastering von Musikalben (z.B. Let It Be… Naked von den Beatles, 2003) und die unzensierte Neuauflage von literarischen Werken (z.B. Erich Kästners Der Gang vor die Hunde, die ungekürzte Fassung seines Romans Fabian, 2013) oder Comics (z.B. Iron Man: Extremis – Director’s Cut von Warren Ellis und Adi Granov, 2010) in Frage stellen. Da die Autorschaft des Regisseurs und die Reintegration geschnittenen Materials sich nur als Teilaspekte des filmischen Director’s Cut erwiesen haben, ergeben sich darüber hinaus aber durchaus Gemeinsamkeiten zwischen den Phänomenen, die eine Erweiterung des Begriffes nahelegen.
Die Authentizität des nicht kommerziell verfälschten Originals als eine Wunschvorstellung führt der Film Interior. Leather. Bar. (2013) vor. In diesem Making-of eines fiktionalen Director’s Cut stellt ein Filmteam die zensierten Sequenzen aus Cruising (1980) nach, einem in der Lederszene spielenden Thriller, und folgt dabei erklärtermaßen seiner Imagination.