Die Erforschung des literarischen Making-ofs versucht aus unterschiedlichen, u.a. von der Disziplin abhängigen Perspektiven, mit variierender Zielrichtung und entsprechend differenzierten Methoden, Erkenntnisse über die Entstehung literarischer Texte zu gewinnen.
Vor allem in den letzten Jahrzehnten avancierte der Schreibprozess zunehmend zu einem eigenen Forschungsgegenstand der Literaturwissenschaften. Dabei ist durchaus ein Bewusstsein für jene Aspekte zu erkennen, welche die ‚Critique Génétique‘ „das Zufällige, den Schwebezustand, die Sackgasse, die offene Alternative, die Schreibformen, die vom geraden Weg abweichen“ (Gréssilon, S.171)nennt. Dennoch wird die Dynamik des Schreibprozesses meist aus überlieferten Archivmaterialien rekonstruiert (retrospektives Making-of). Wenn dieser Zugang zum Making-of literarische Texte auch als beweglich und vielfältig veränderbar betrachtet, so interpretiert die Beschäftigung mit der Genese doch rückblickend die potentiellen Richtungen, in die sich das Werk, das in der Regel fertig gestellt vorliegt, auch hätte entwickeln können. In dieser Hinsicht ähnelt der Ansatz der Editionsphilologie, deren Ziel jedoch ein anderes ist, nämlich die vorliegenden Materialien eines Schreibprozesses an eine Öffentlichkeit zu vermitteln, in der Regel um dadurch das Textverständnis zu erhöhen (vgl. Gellhaus). Auch dies geschieht, nachdem der Prozess abgeschlossen ist, es wird also keine (simultane) Produktionsöffentlichkeit erzeugt. Bei allen Unterschieden in der methodischen Ausrichtung ist für beide Forschungsrichtungen die Frage nach der Materialität und Medialität literarischer Kommunikationsprozesse zentral (vgl. Zanetti, Einleitung, S.11).
Empirische – qualitative und quantitative – Schreibforschungen, die teilweise simultan zum Schreibprozess Daten erheben (etwa mittels sogenannter Verbal Reports), beschäftigen sich hingegen fast ausschließlich mit der Bewältigung kürzerer Schreibaufgaben, meist aus sprachwissenschaftlicher Perspektive. Das Ziel besteht dabei in der Gewinnung didaktischer Einsichten zur Schreibpraxis. Eine differenziertere Typologie von Schreibstrategien, basierend auf der Auswertung hunderter – überlieferter, nicht zu diesem Zweck erhobener – Selbstzeugnisse Schreibender (Schriftsteller, aber auch Philosophen) entwarf der Sprachwissenschaftler Hans-Peter Ortner (vgl. Ortner). Wie Almuth Grésillon übt auch er Kritik an der Vorstellung von Schreibprozessen als Lösen vorwiegend kognitiver Probleme, wie sie v.a. an der Schnittstelle von Kognitionspsychologie, Linguistik und empirisch orientierter Schreibdidaktik vertreten wurde. Literarische Werke sind jedoch keine standardisierten Produkte und literarisches Schreiben kein zielgesteuerter, linearer Prozess mit zeitlich begrenzbaren Phasen.
In der Erforschung des literarischen Schreibens aus wissenstheoretischer Perspektive (vgl. Zembylas / Dürr ) stehen nicht Texte im Mittelpunkt des Interesses, sondern die Erfahrungen von Schriftstellern bzw. die Frage danach, wie sie Herausforderungen bewältigen und mit der Offenheit und Nichtformalisierbarkeit des Schaffensprozesses umgehen. Erfahrungen sind jedoch niemals direkt zugänglich, sondern nur über die Beobachtung der Produktionsbedingungen und des Arbeitskontextes sowie über Aussagen von Akteuren erschließbar. Die Erforschung des Making-ofs von Schreibprozessen ist prinzipiell darauf angewiesen, dass diese Prozesse Spuren hinterlassen, entweder in Form von Manuskripten, Entwürfen, Arbeitsmaterialien und dergleichen oder in Form von Selbstzeugnissen und Auskünften von Schriftstellern.
Interviews mit Schreibenden über ihre Arbeit haben eine lange Tradition. Sogenannte Werkstattgespräche (vgl. etwa Bienek, Arnold, Curtius sowie auch Kessler) erheben jedoch zumeist nicht den Anspruch, den Arbeitsprozess in theoretische Zusammenhänge weiter zu führen. Im Sinne traditioneller Autoren-Poetiken reflektieren darüber hinaus Autoren in zahlreichen ‚Berichten aus der Werkstatt‘ (vgl. etwa Haslinger / Treichel, Ortheil / Siblewski) den (zumeist eigenen) Schaffensprozess und die Herausforderungen, denen sie in der Aneignung, Weitergabe und damit verbunden auch der Versprachlichung ihres Könnens begegnen. Die Analyse gegenwärtiger Schreibprozesse (simultanes Making-of) ermöglicht es, solche Daten gezielter zu erheben (etwa mittels den Arbeitsprozess begleitender Schreibtagebücher). Das ändert jedoch nichts daran, dass stets eine Ungleichzeitigkeit bestehen bleibt, die genau genommen bereits im Moment des Schreibens beginnt (vgl. Zanetti, Einleitung, S.32f).
Eine weitere Schwierigkeit der Verbalisierung des Making-ofs liegt darin, dass den Schreibenden nicht alle in den Schreibprozess einfließenden Wissensformen notwendigerweise bewusst werden, da sie ‚verinnerlicht’ bzw. nach langer Übung habitualisiert und somit primär im Tun inkorporiert sind (vgl. Neuweg S.8f). Die Möglichkeit der vollständigen Explikation aller Faktoren, die in einer Schreibhandlung eine Rolle spielen – von der etwa die Empirische Literaturwissenschaft ausgehen muss, um ihre Forderung nach Einhaltung (natur-)wissenschaftlicher Standards einzulösen (vgl. Schmidt) – ist nicht zu realisieren. Darüber hinaus ist bei vielen Autoren die Angst präsent, mit der Beschreibung ihres Tuns die Vielschichtigkeit des Denkens unzulänglich zu verkürzen, den kreativen Prozess auf beschreibbare Momente zu reduzieren und damit eine Abgeschlossenheit und Linearität zu konstruieren, um ihn mitteilbar zu machen. Zudem kann die (Selbst-)Beobachtung und Analyse störend auf den Arbeitsprozesses wirken.
Das Bewusstsein der Interviewten über die Zitierbarkeit ihrer Aussagen beeinflusst sowohl, was sie sagen als auch die Art und Weise, wie sie ihre Schreiberfahrungen und sich selbst darstellen. Dieses gerichtete Bewusstsein kann niemals völlig eliminiert werden. In der Interpretation des empirischen Materials muss daher berücksichtigt werden, dass eine Differenz zwischen dem erfolgten (teils bewusst erlebten) Schreibprozess und der erzählten Schreiberfahrung bleibt (Inszenierung).
Auf Grund der Tatsache, dass es keine universelle, zeitlose und kulturtranszendente Kompetenz geben und das literarische Making-of daher nur in Relation zu einer konkreten Praxis sinnvoll untersucht werden kann, können – bei aller Vorsicht der Verallgemeinerung – in der Erforschung von Arbeitsprozessen auch Aussagen über institutionelle Rahmenbedingungen, aktuelle literarische Konventionen und Praktiken gewonnen werden. Ästhetische Präferenzen und selbst gesetzte Ziele von Schriftstellern, die beim Verfassen literarischer Texte wirksam sind, entstehen nicht in einem isolierten Raum, sondern sind vielfach mit Berufsbildern, konkreten ökonomischen Beziehungen und anderen, nicht-ästhetisch immanenten Aspekten verknüpft. Die Rückgezogenheit während des Schreibens darf nicht darüber hinweg täuschen, dass Schriftstellerinnen eingebettet in ein konkretes Praxiskollektiv agieren. Somit ist eine solchermaßen praxisorientierte Auseinandersetzung mit der Gegenwartsliteratur auch implizit kulturpolitisch, da in der Untersuchung des literarischen Making-ofs Erkenntnisse darüber gewonnen werden, welche Rahmenbedingungen literarische Schaffensprozesse begünstigen können.