Um ein langjährig erfolgreiches und auch wissenschaftlich viel beachtetes Beispiel eines simultanen Making-ofs, das jedoch (bis auf die finale Live-Show) retrospektiv rezipiert wird, handelt es sich beim Castingshow-Format Germany’s Next Topmodel (GNTM), das als Adaption eines US-amerikanischen Formats seit 2006 für den Fernsehsender ProSieben produziert wird.
In (pseudo-)dokumentarischer Form (vgl. Decker 136) wird die expertengeleitete Verwandlung junger Frauen in Models dargestellt, an der die Produktionsöffentlichkeit im mehrmonatigen Staffelverlauf in vorproduzierten und wöchentlich ausgestrahlten Sendungen als Beobachter Anteil nimmt. Als Format des performativen Reality-TV (vgl. Keppler 8) ist die Sendung durch dramaturgische Konstruktionen vor einem realen Hintergrund gekennzeichnet (vgl. Lünenborg/Töpper 183).
Das offizielle Ziel besteht darin, das nächste deutsche Topmodel zu (er-)finden und zu formen, welches final in einer abendfüllenden Live-Show ernannt wird. Als Erschaffer des Topmodels wird dominant die als solche dargestellte Experten-Jury inszeniert, deren Vorsitz Heidi Klum, Model, Fernsehberühmtheit und Co-Produzentin des Formats, innehat. Die Kandidatinnen werden von den Mitgliedern der Jury zunächst hinsichtlich ihrer Eignung für das Modelbusiness ausgewählt, müssen unter Anleitung und Aufsicht der Jury im Staffelverlauf verschiedene vermeintlich berufstypische Aufgaben lösen und in einer wöchentlichen Entscheidung vor den Juroren bestehen. Anders als in anderen Castingshows, wie beispielsweise Deutschland sucht den Superstar (seit 2002), deren Dramaturgie den Zuschauern ein Mitspracherecht am Schaffungsprozess verspricht, verbleiben die Zuschauer von GNTM in einer passiven Beobachterrolle – das Making-of von GNTM unterliegt anscheinend der alleinigen Autorität der Jury-Mitglieder (vgl. zur Rolle und Darstellung der Jury u.a. Decker 137-139 und Weber et al. 65-72).
Anteil haben die beobachtenden Zuschauer am Making-of eines Models – und nicht zuletzt am Making-of einer Frau, das nicht nur gekennzeichnet ist von der Arbeit am eigenen Körper, sondern auch von der angeleiteten Formung und Optimierung der eigenen ‚Personality‘, einem Lernen in Anpassung und Disziplin sowie der Überwindung von Vorbehalten und Ängsten (vgl. hierzu auch Larjow et al. 103-123).
Gezeigt wird ein Transformationsprozess von ‚Mädchen‘, die unter Anleitung der erfahrenen Jury im Zeitraffer zu erwachsenen Frauen werden, die sich möglichst perfekt in die dargestellte Topmodel-Welt einfügen. Dem Anspruch der völligen Einpassung in das Modelbusiness wird die fortwährende Versicherung entgegengestellt, dass es sich bei den Teilnehmerinnen um ganz ‚normale‘ und authentische Mädchen handle. So wird die Authentizität des Dargestellten kontinuierlich beteuert und durch Strategien der Realitätsbeglaubigung untermauert. Unter anderem die dokumentarische Form, die Einbindung privater Details der Protagonisten, emotionale Ausbrüche sowie scheinbar überraschende Entwicklungen und Entscheidungen verweisen neben der ‚Echtheit‘ des Gezeigten auch auf die vermeintliche Ergebnisoffenheit des beobachtbaren Schaffungsprozesses. Insbesondere in den neueren Staffeln des Formats ist zudem eine zunehmende narrative Einbindung der am Produktionsprozess beteiligten Akteure (Maske, Kamera, Aufnahmeleitung etc.) zu beobachten – nicht nur der Prozess des Star-Machens, sondern auch die Arbeitsweise des Mediums Fernsehen wird so scheinbar offengelegt und rückt in den Erfahrungshorizont der Zuschauer.
In jeder Staffel finden sich wiederkehrende narrative Elemente wie die ‚Umstyling‘-Sequenzen, die als dramatisierte Toilettenszenen beschrieben werden können: Im Rahmen des ‚Großen Umstylings‘ müssen sich die Kandidatinnen oft unter Tränen und Widersetzungsversuchen von ihrem alten Aussehen verabschieden und erhalten entsprechend der Jury-Vorstellungen ein neues Aussehen. In den Vordergrund tritt u.a. durch diese Szenen das zentrale Thema der Erzählung: die aktive Formung und Disziplinierung der Teilnehmerinnen gemäß eines formatseitig festgelegten Ideals, das sich schließlich in der Siegerin, dem Produkt des dargestellten Making-ofs, wiederfindet.