Ganz allgemein verstanden, bezeichnet Investitur die Einweisung in ein Amt (vgl. Becker 1285, Frank 220-222), und zwar im religiösen wie im weltlichen Bereich. Im hier fokussierten, engeren Sinn jedoch – die Ableitung vom lateinischen Substantiv für Einkleidung (‚investitura‘) legt dies nahe – meint der Begriff einen durch das An- oder Umkleiden einer Person sowohl vollzogenen als auch veranschaulichten Statuswechsel und damit ein simultanes Making-of. Bedeuten kann dies, dass eine Einzelperson mit einem besonderen Rang ‚bekleidet‘ oder, je nach Logik des Zeremoniells, über alle anderen Menschen erhoben wird, wobei letzteres in der Einzigartigkeit der Kleidung (Krönungsornat, Pallium und Tiara des Papstes) Ausdruck findet. Meinen kann dies aber auch die Aufnahme einer Person in eine Gemeinschaft, wobei die Einheitlichkeit der Kleider (Habit religiöser Orden, Uniformen des Militärs) eine entscheidende Rolle spielt. Handelt es sich um einen hierarchisch organisierten Zusammenschluss, können beide Formen der Investitur ineinandergreifen, das heißt, gleichrangige Mitglieder werden gleich gekleidet, während der Aufstieg innerhalb der Hierarchie durch die Aufwertung oder Ergänzung der Kleidung oder durch den Kleiderwechsel erfolgt. Umgekehrt vollzieht das Ablegen der den jeweiligen Status anzeigenden Gewandung den Statusverzicht, wohingegen ihr Entzug oder ihre Zerstörung als Degradierung oder Absetzung – als Devestitur also – zu verstehen ist (vgl. Frank 218, 220, 225-229; Elliott 60-64, 67-68).
Als Phänomen ist die Investitur im Sinne einer juristisch, politisch und sozial verbindlichen Herstellung eines bestimmten Status transhistorisch und transkulturell nachweisbar (Gordon; Steinicke / Weinfurter). Einblicke in die je spezifischen Ausprägungen und Abläufe geben vor allem Textquellen, die das Zeremoniell im Vorhinein regeln (Hofordnungen, liturgische Schriften) oder nachträglich beschreiben (Chroniken, Lebensberichte). Hilfreich können aber auch andere Textgattungen sein, darunter heilige Bücher. So gibt zum Beispiel das Alte Testament historisch belastbare Auskünfte über die Einkleidung eines Königs sowie von Priestern und Beamten (vgl. Kühn 3-8, 9-11, 11-12).
Da Investituren für die gesamte Gesellschaft oder für Teilgemeinschaften verbindlich sind, müssen sie vor Zeugen stattfinden – das heißt, sie werden öffentlich durchgeführt, wobei die für den Statuswechsel konstitutive Zeugenschaft (autopoietische Feedbackschleife) einem ausgewählten Personenkreis vorbehalten sein kann oder verschiedene Etappen der Einkleidung unterschiedliche Grade der Öffentlichkeit aufweisen können. Letzteren Fall belegt u.a. der Bericht über eine Kammerfrau des Wiener Kaiserhofs, die anlässlich ihres Ordenseintritts im April 1660 die von hochrangigen Persönlichkeiten gut besuchte Klosterkirche in einem silberfarbenen Festkleid betrat und auch wieder verließ, während das Anlegen des beim Gottesdienst auf dem Altar ausgebreiteten, härenen Habits unter Ausschluss der weltlichen Öffentlichkeit im Kloster erfolgte (vgl. Müller 217, 218).
Vorgenommen wird die Einkleidung von autorisierten Amts-, Rang- oder Würdenträgern. In verkürzter Form kann dies auf das bloße Aushändigen etwa der Uniform (vgl. Füssel 105, 106) beschränkt sein. Bei stärker ausdifferenzierten Investituren folgt das Überreichen von Gewändern (vgl. Mueller 75) oder Schmuck (vgl. Ibrahim 93-95) oder das tatsächliche Anlegen meist symbolisch aufgeladener Kleidungsstücke einem minutiös regulierten Protokoll. Dieses kann zusätzliche Handlungen wie das Ablegen eines Eids oder Glaubensbekenntnisses, die Änderung des Namens, das Entsühnen oder rituelle Heilen der den Status ändernden Person, das Opfern von Tieren, das Salben mit geheiligtem Öl, das Scheren oder Schneiden der Haare, das Sprechen rechtsrelevanter Formeln, die Übergabe von Insignien oder Waffen, das Übertragen von Lehnsrechten, die Verleihung von Titeln, das Zuerkennen von Einkünften resp. den Verzicht auf weltliche Güter usw. umfassen. Zudem kann die Investitur in eine Reihe weiterer Festlichkeiten wie Aufmärsche, Bankette, Umzüge usf. eingebettet sein.
Jenseits des unmittelbaren Vollzugs und seiner Anerkennung durch die Gemeinschaft ist der durch das Einkleiden hergestellte Status jedoch als instabil oder gefährdet anzusehen. Für eine solche Unabgeschlossenheit oder latente Unendgültigkeit des Herstellungsprozesses spricht, dass neben einmaligen Investituren auch Primärinvestituren nachzuweisen sind, die durch stete Wiederholung bekräftigt oder aktualisiert werden: halbjährlich wie im babylonischen Königtum (vgl. Ambos 20), in anderen Fällen sogar jeden Tag. So sind für Pharao laut mehrerer Papyri und anderer archäologischer Funde wie Investiturpuppen tägliche Einkleidungen anzunehmen und wohl mit dem – weitaus besser überlieferten – ‚Lever‘ des absolutistischen Königs von Frankreich parallel zu führen (vgl. Bommas; Saint-Simon 331f.; Quack 159f.). Ähnliches galt für den König von Joseon (vgl. Shin 15) und ist bis heute für die katholische Kirche gültig, die ein jedes Anlegen der liturgischen Gewänder als immer neue Bestätigung im Amt versteht (vgl. Braun 710-719, Elliott 59-60).
Ebenfalls belegbar sind sukzessive Investituren, die ein mehrfaches Umkleiden beinhalten. Augenfälliges Beispiel hierfür sind grenzüberschreitende Brautfahrten, die besonderes Gewicht auf die Anpassung an die Sitten des Ziellandes legen. So verwandelte sich die 1660 mit dem Sonnenkönig verheiratete spanische Infantin María Teresa durch die schrittweise Änderung von Kleidung und Frisur vor den Augen des Hofes in die französische Königin Marie-Thérèse (vgl. Coester 157). Bekannter ist die Brautfahrt der österreichischen Prinzessin Maria Antonia, die anlässlich ihrer Vermählung mit dem Dauphin im Frühjahr 1770 von Wien nach Versailles reiste. Für den Grenzübertritt wurde die Prinzessin ihrer späteren Kammerfrau zufolge in einem eigens eingerichteten Pavillon vollständig entkleidet und dann ‚à la française‘ angezogen, um als Dauphine Marie-Antoinette weiterzureisen (vgl. Campan 109-110).
Entsprechend meint das in Berichten über Brautfahrten häufig verwendete Attribut ‚schön‘ zuvorderst eben diese Anpassung der Braut an die am Hof des Bräutigams geltenden Kleidungskonventionen (vgl. Coester 158). Die hierin anklingende intrinsische Verbundenheit der Investitur mit Fragen der Normierung oder Zurichtung einerseits und der Attraktivität oder des Geschmacks andererseits macht deutlich, dass eine Abgrenzung von ebenfalls stark regulierten und öffentlich zelebrierten Toiletten nicht immer trennscharf vorgenommen werden kann. Zu beachten ist dabei allerdings, dass es bei Investituren um die Herstellung von Schönheit weniger im Sinne des Modischen oder des Körperlichen, Erotischen, Sexuellen als vielmehr um eine übergeordnete Schönheit – etwa der Majestät und der ihr angemessenen Prachtentfaltung – geht. Beim Eintritt in einen Orden hingegen können als Tugend verstandene Eigenschaften wie Demut und Bescheidenheit und die damit verbundene Abkehr von weltlichen Schönheitsvorstellungen leitend sein.