Making-of
Ein Lexikon

Making-of. Ein Lexikon versammelt Texte zum Begriff Making-of. Die Online-Plattform wurde von Studierenden der Geistes- und Kulturwissenschaften initiiert. Sie widmet sich der Erforschung verschiedenster Making-of-Formate in der Gegenwartskultur und kann um neue Begriffe und Texte erweitert werden.

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Warten auf X

Warten auf X – Experiment.Kunstprojekt.Dokumentation (2012) von Helena Eckert, Merle Grimme und Fanny Langner ist ein zwanzigminütiges simultanes Making-of, das im Rahmen des Projektsemesters 2012 an der Stiftung Universität Hildesheim realisiert wurde. Als Inspiration diente Arbeiter verlassen die Fabrik (La Sortie des usines Lumière, 1895). Der Film zeigt Arbeiterinnen und Arbeiter, die durch ein Tor das Gelände der Lumière-Werke in Montplaisir verlassen, in denen sie tagtäglich Fotoplatten herstellen.

In Warten auf X verlassen nicht die Arbeiter, sondern das Produkt selbst, ein altes Zahnrad, die Fabrik und begibt sich nun durch vier Ateliers und in die Hände von fünf verschiedenen Künstlerinnen (Jochen Eickmann, Antje Schiffers & Thomas Sprenger,  Johannes Buss, Chajim Grosser). Die Künstlerinnen unterscheiden sich in ihren Arbeitsweisen wie auch in der Auswahl der bevorzugten Materialien sehr deutlich. Die Kommunikation zwischen ihnen findet allein durch ihre Arbeit am Zahnrad statt. Die jeweils vorhergehende Künstlerin übermittelt der nächsten in Form des Kunstwerks eine Botschaft und ist zuvor selbst mit den Optionen, den jeweils aktuellen Zustand des Objekts zu erklären, zu übernehmen oder ihn zu modifizieren, konfrontiert. Es entsteht eine Begegnung verschiedenster künstlerischer Herangehensweisen, Gewohnheiten, Konzepte und Umgebungen. Was am Ende bleibt, ist die Summe dieser über ein Zahnrad vermittelten Begegnungen zwischen den Künstlerinnen – das Objekt/Kunstwerk X.

Der Fokus des Films ist dabei zunächst auf den Produktionsprozess des Kunstwerks gerichtet. Da die Filmemacherinnen versuchen, sich so weit wie möglich aus dem Herstellungsprozess des Kunstwerkes herauszuhalten und keinerlei Regeln oder Erwartungen verbalisieren, wird eine symbiotische Verknüpfung zwischen dem Film und seinem Inhalt als eine gekoppelte Making-of-Situation anschaulich: Der Film selbst ist als Voraussetzung oder auch Initiator für das künstlerische Experiment zu verstehen. Gleichzeitig gibt erst die Entstehung des Kunstwerks dem Film eine Daseinsberechtigung. Insofern sind Film und Kunstwerk zueinander komplementär.

Warten auf X  beschreibt eine lineare Ereigniskette. Durch das Kunstwerk werden die einzelnen künstlerischen Handlungen und Künstlerinnen in einen Bezug zueinander gesetzt. Der Moment der Übergabe des Objekts X an den Nächsten wird jedes Mal als einführendes Element genutzt und dokumentiert zugleich auch den erstmaligen Kontakt mit der Arbeit des Vorgängers, die geöffnet, ausgepackt und betastet wird. Der jeweilige Umgang mit dem Kunstwerk verdeutlicht die stetig scheiternde Kommunikation zwischen den Künstlern. Jeder von ihnen versucht, die eigenen Vorstellungen davon, wie die Arbeit am Zahnrad weitergeführt werden könnte, durch Anknüpfungspunkte für seinen Nachfolger zu verdeutlichen. Jedoch sind die Arbeitsweisen so unterschiedlich, dass die Hinweise der Vorgänger größtenteils nicht einmal erkannt werden.

Die jeweiligen Arbeitsprozesse werden hauptsächlich in Nahaufnahmen gezeigt, die einen Fokus auf die Hände und den physischen Kontakt mit dem Objekt dokumentieren. Am Ende entsteht ein Werk, welches kaum heterogener sein könnte. Im Anschluss reflektiert jeder Künstler die Arbeit am Objekt und kommt im weiteren Verlauf des Interviews auf die eigenen Arbeiten und das Atelier zu sprechen. Je mehr die Idee der Entstehung eines kollektiven Kunstwerks zu scheitern droht, desto nebensächlicher erscheint das dort entstehende Kunstwerk. In den Mittelpunkt rücken vielmehr die Künstlerinnen selbst, ohne dass die Frage nach der Autorschaft deutlich formuliert würde. Die Künstler scheinen sich nach ihrer Arbeit am Objekt nur wenig mit dem Kunstwerk zu identifizieren und übergeben es mit Leichtigkeit an den nächsten. Da das Kunstwerk erst durch den Film entsteht, stellt sich die Frage, ob Film und Kunstwerk nicht als zusammengehörig verstanden werden müssen. Wobei berücksichtigt werden muss, dass durch das Ende des Films nicht automatisch die Vollendung des Kunstwerks erzählt wird. Film wie auch Kunstwerk enden daher in einer offenen Form, die sich vermutlich jederzeit weiterführen ließe.

Quellen

Warten auf X – Experiment.Kunstprojekt.Dokumentation. Deutschland 2012, Regie: Helena Eckert, Merle Grimme und Fanny Langner.