Making-of
Ein Lexikon

Making-of. Ein Lexikon versammelt Texte zum Begriff Making-of. Die Online-Plattform wurde von Studierenden der Geistes- und Kulturwissenschaften initiiert. Sie widmet sich der Erforschung verschiedenster Making-of-Formate in der Gegenwartskultur und kann um neue Begriffe und Texte erweitert werden.

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Do It Yourself

Do It Yourself (kurz: DIY) steht sowohl für das Selbermachen im Bereich der Handarbeit und des Heimwerkens als auch für Formen des selbstermächtigten politischen Aktivismus. Mit Aufkommen neuer Medientechnologien des Internets und vor allem des Web 2.0 stehen Ausprägungen einer aktuellen DIY-Kultur mit Formen und Strategien des Making-ofs in Verbindung. Making-ofs als Formen der Beobachtung, Beschreibung und Ästhetisierung von Produktionsprozessen finden sich beispielsweise in Form von Weblogs, Online-Tutorials sowie (YouTube-)Videos, wobei sich zwischen verschiedenen Ausprägungen und Nutzergruppen differenzieren lässt, die in ihrer Unterscheidung durchaus an die historische Entwicklung des DIY-Begriffs anknüpfen.

Über Felder wie Freizeitgestaltung verbindet sich der Begriff des DIY mit der Gruppe der Heimwerkerinnen, Handarbeiter und Bastlerinnen, die das Selbermachen sowohl aus Gründen der Kostenersparnis gegenüber Fertigprodukten als auch der passionierten Leidenschaft am Prozess des Selbermachens sowie seiner Resultate als Motivation antreibt.

Historisch gesehen tritt der Slogan „Do it yourself!“ das erste Mal 1912 in einem Artikel der amerikanischen Zeitschrift Suburban Life auf (vgl. Hornung et al. 8). Maßgeblich trägt die Etablierung des Heimwerkers zur Popularisierung des DIY in der BRD bei und verankert den Begriff hier ab den 1960er-Jahren (vgl. ebd. 10). Paradigmatisch hierfür ist die Eröffnung erster Baumärkte sowie die Distribution der Deutschen Do it yourself Illustrierten mit den beiden Ausgaben Selbst ist der Mann und Selbst ist die Frau ab 1956 (vgl. ebd. 31).

Mit der Einführung neuer Medientechnologien wie Internet und Web 2.0 geschieht eine Veränderung in diesem Feld der DIY-Kultur, die mit einer Verschiebung zum Making-of einhergeht. Aktuell gibt es neben professionell ver- und betriebenen Publikationen und Onlineplattformen mit Anleitungen und Tipps zu DIY-Projekten über vielfältige Themen auch Plattformen, die es jedem Bastler und jeder Heimwerkerin mit Internetzugang ermöglichen, ihre Ergebnisse ebenso wie die Prozesse ihres Selbermachens zu veröffentlichen und im Rahmen einer Community zu teilen. Meistens werden Weblogs betrieben, die von einer einfachen Präsentation der eigenen DIY-Projekte über Anleitungen (How-to) in Form von Bild, Text/Bild-Kombinationen oder Video-Tutorials, Anregungen, Tipps und Inspirationen bis hin zur Selbstvermarktung im Online-Shop reichen und ein Zeigen des Selbstgemachten als auch des Selbermachens in den Fokus stellen. Dieser Vorgang des Zeigens stellt eine inszenierte Vermittlung von Produktionsprozessen dar und kann somit als Making-of-Format untersucht werden.

Neben der Gruppe der Heimwerkerinnen und Bastler hat auch die politische Seite den DIY-Begriff geprägt. Er steht hier für politischen Aktivismus, der mit einer politischen Selbstermächtigung einhergeht. Das „Mach es selbst!“ wird hierbei zum Slogan für politische Partizipation und Artikulation beispielsweise in Form von Informationsdistribution und Aufklärung durch Verteilung selbstproduzierter Fanzines in geringer Auflage. Die Selbstartikulation mit Hilfe von Fanzines und das Schaffen einer Öffentlichkeit wird dann in der ,Riot-Girl‘-Bewegung (auch: ,Riot Grrrls‘) wieder aufgegriffen, die ab Mitte der 90er-Jahre das Medium der ,Grrrl-E-zines‘ benutzt, um eine „Form […] feministische[r] Do-It-Yourself-Praxis“ (Armstrong 372) zu formulieren. Aktuelle Entwicklungen in diesem Bereich aktivistischer DIY-Praktiken zeigen eine Annäherung an Formen der Handarbeit durch die Bewegung des ,Radical Crafting‘ (im deutschsprachigen Raum beispielsweise des Critical Crafting Circles). Sogenannte Craftistas und Craftivistas betreiben hier das Handarbeiten als politischen Aktivismus und grenzen sich gegenüber der historischen Handarbeitstradition häufig ab (vgl. Gaugele 13).

Neben diesen Ausprägungen der DIY-Kultur gibt es die Vorstellung einer ,Design-It-Yourself‘-Kultur, die sich auch als eine Prosumer-Kultur beschreiben lässt und sich in ,customizated products‘ wiederfindet. Der Kunde respektive Rezipient wird zum Ko-Produzenten und Benutzer, der Produkte nicht nur bedient, sondern individualisiert und weiterführend nutzt. Dieses veränderte Konsumverhalten lässt sich beispielsweise an einer Eigenbeteiligung des Kunden bei Transport und Zusammenbau von Möbeln (Ikea) erkennen und wird von Alvin W. Toffler als „Prosuming“ bezeichnet (vgl. Toffler 386, Blättel-Mink 72). Es entsteht eine neue Rolle von Produzenten-Konsumenten, die sich auch in Produktionsöffentlichkeiten wiederfindet.

Die hier skizzierte Entwicklung einer Kultur des Selbermachens und des Selbstgemachten ist unmittelbar mit der Entwicklung einer Making-of-Kultur verbunden. Das Zeigen des Machens sowie das Rezipieren gezeigter Produktionsprozesse sind grundlegend für aktuelle Formen der DIY-Kultur. In ihr werden Formate und Strategien des Making-ofs für eine kollektive Generierung von Wissen benutzt, um Wissen, Können und Fertigkeiten in selbstorganisierten Communities und Produktionsöffentlichkeiten weiterzugeben oder sich anzueignen. Anleitungen und How-tos als simultane Making-ofs werden rezipiert, um die vorgeschlagenen DIY-Projekte zu realisieren oder sich für weitere eigene Projekte inspirieren zu lassen. Eine DIY-Kultur bringt somit ein Interesse am Machen mit: an der Rezeption von Produktionsprozessen im Hinblick auf ein eigenes Produzieren und Wiedereinspeisen der eigenen (Er-)Kenntnisse aus diesem eigenen Produzieren in Form von Making-ofs, die dann als Dokumentationen und Anleitungen des Produktionsprozesses sowie der (vorläufigen) Ergebnisse des Selbermachens fungieren. Oft sind diese Resultate Ergebnisse einer Weiterentwicklung des zuvor rezipierten Produktionsprozesses anderer Mitglieder der Community.

Quellen

Armstrong, Jayne: „Web Grrrls, Guerilla Taktiken: Junge Feminismen im Web.“ In: Karin Bruns / Ramón Reichert. (Hg.): Reader Neue Medien. Texte zur digitalen Kultur und Kommunikation. Bielefeld 2007, S. 371-383.

Blättel-Mink, Birgit: „Prosumer – Der arbeitende Kunde.“ In: Helmut Gold et al. (Hg.): Do It Yourself: Die Mitmach-Revolution. Katalog zur Ausstellung. Mainz 2011, S. 72-78.

Gaugele, Elke: „Historische Plattformen der Craftistas. Symbolische Politik und politische Praxis textiler Handarbeiten.“ In: Critical Crafting Circle (Hg.): craftista! Handarbeit als Aktivismus. Mainz 2011, S. 12-14.

Hornung, Annabelle et al. „,Do It Yourself: Die Mitmach-Revolution’. Eine Einführung in die Ausstellung.“ In: Helmut Gold et al. (Hg.): Do It Yourself: Die Mitmach-Revolution. Katalog zur Ausstellung. Mainz 2011, S. 8-20.

Toffler, Alvin: Die dritte Welle. Zukunftschance: Perspektiven für die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. München 1983.