Eine Skizze (von ital. ‚schizzo‘, ‚Spritzer’) bezeichnet die Vorstufe eines Bild-, Text- oder Bauwerkes. Der Begriff wird vor allem verwendet, um das Moment des Unvollständigen hervorzuheben, da die Skizze meist als vorläufiges Entwurfsstadium in Abhängigkeit zu einem finalen Werk gestellt wird. Sie kann aber auch als Produktionsstufe betrachtet werden, die ein eigenständiges Wissen generiert und damit interessant wird für epistemologische Fragestellungen. Skizzen können als Medium ästhetischer Erkenntnis dienen, das an der Schnittstelle zwischen Denken und Handwerk den Transfer von intellektuellen Konzepten in die Sichtbarkeit ermöglicht. Dabei vermag die Skizze wie kein anderes Medium, ihre eigene Materialität auszustellen und auf eine Ästhetik des Zeichenprozesses zu verweisen, die jenseits seiner mimetischen Funktion anzusiedeln ist.
Aus der Perspektive des Making-ofs ist v.a. von Interesse, dass der Skizze im Laufe ihrer Geschichte immer wieder gesonderte Aufmerksamkeit als Produktionsstufe geschenkt wurde. Um 1800 gewährten Künstler zunehmend häufiger Einblicke in ihre Werkstatt, verwiesen selbstständig auf ihre Produktion und signierten zuweilen sogar ihre Skizzen, um ihnen eigenen Werkstatus zu verleihen.
Die Ästhetisierung der Skizze könnte noch stärker für einen kunstwissenschaftlichen Fokus genutzt werden, der sich nicht mehr primär für das fertige Werk interessiert, sondern vielmehr für den Schaffensprozess und die Beweglichkeit seiner Produkte. Denn der Mythos des vollkommenen Werkes, das sich im Moment seiner Fertigstellung von seiner Gemachtheit löst, im White Cube der Museen isoliert wird und dort – oft unabhängig von seinem Produzenten – eine nachträgliche Sinnaufladung erfährt, suggeriert eine Linearität und Zwangsläufigkeit, der nur wenige Kunstproduktionen entsprechen. Nach Oliver Jahraus ist diese Idee einem kulturwissenschaftlichen Drang zur Historisierung geschuldet, der Gegenwart immer nur als Endpunkt einer historischen Entwicklung wahrnimmt und so in ihrer Spezifik verfehlt (8).
Gegen einen Produktionsablauf, der linear zu ‚fertigen’ Ergebnissen führt, stellt das Making-of die Idee eines Netzwerks, innerhalb dessen alle Produktionsstufen – Skizzen ebenso wie ,finale’ Werke – als Zwischenergebnisse gelten und in immer neue Prozesse eingespeist werden. Um die Komplexität eines solchen Netzwerks schließlich beschreiben und begreifen zu können, bedarf es spezifischer Strategien. Eine dieser Strategien besteht darin, auf Skizzen als Zwischenprodukte und Zeugen der Entstehung zuzugreifen. Mithilfe dieses Perspektivwechsels kann die Skizze als exemplarische Produktionsstufe im Schaffensprozess neu verortet werden, um ihre Funktionsweise im Spannungsfeld zwischen ‚finalen Werken’ und Zwischenprodukten zu beleuchten.
Skizzen schließen etwas Altes ab und leiten etwas Neues ein, indem sie eine Idee aus ihrem präfigurativen Zustand in die Sichtbarkeit entlassen, und öffnen für gestalterische Variationen. Sie sind damit eingelassen in ein kurzes Moment der Gegenwart, das sie in seiner Abbildung zugänglich machen. Skizzen erzählen sowohl den Moment ihres Aufzeichnens als auch die Gegenwart des zeichnenden Subjekts (vgl. Wittmann 9). Als direkte Übertragung einer schöpferischen Idee bzw. als Mimesis des kreativen Ichs bilden Skizzen sehr genau die Wahrnehmung und den Schaffensprozess des Künstlers ab. Dabei übersetzen sie hypothetische Gedanken in eine Bildsprache, nehmen bereits bestehende Produkte auf, variieren diese und bringen sie miteinander in Verbindung. Damit wird dem Künstler ermöglicht, Gedankenspiele abzubilden, mit ihnen zu experimentieren und neue Hypothesen zu formulieren. Skizzen stellen für ihn daher nicht nur ein flexibles Medium für flüchtige Einfälle bereit; sie können auch strukturierend auf den Schaffensprozess selbst einwirken und zu einem gesteigerten Bewusstsein der eigenen Arbeitsprozesse verhelfen (vgl. Köhn 23).
Skizzen sind damit primär ein privates Medium und nicht für ein breites Publikum bestimmt. Um über sie auf Produktionsprozesse zugreifen zu können, bedarf es ihrer Veröffentlichung, da sie sich nicht selbst als Making-ofs inszenieren. Erst mithilfe eines retrospektiven Making-ofs, also einer (beispielsweise filmischen) Dokumentation oder einer Ausstellung ihres Entstehens, kann nachvollzogen werden, wie gestalterische Entscheidungen getroffen, welche Wege gewählt und welche verworfen wurden. In ihrer Veröffentlichung können Skizzen damit Aufschluss über die Bedingungen von Produktion und Scheitern geben.
Vor allem filmische oder fotografische Making-of-Formate sind jedoch notwendigerweise mit einem Medienwechsel verbunden, der auf die Grenzen einer materialgerechten Dokumentation hinweist. Er wirft die Frage auf, inwieweit sie einen authentischen Blick auf die Funktionsweise herstellender Verfahren ermöglichen und ob Produktion beziehungsweise gegenwärtige Prozesse überhaupt darstellbar sind.
Mit dieser Offenlegung kreativer Prozesse verbindet sich eine Auffassung, die sich gegen jede Form der Genieästhetik richtet. Anders als bisher soll es bei der Ästhetisierung von Skizzen nicht darum gehen, einen Geniekult voranzutreiben, der selbst die kleinsten Produktionsschritte des Künstlers mystifiziert. Es geht vielmehr darum, das Sprechen über Produktionsprozesse zu ermöglichen und jegliche Ohnmacht gegenüber der künstlerischen Produktion zu verweigern. Durch die Offenlegung von Skizzen soll Kunstproduktion nachvollziehbar gemacht werden; ein Interesse an Kontrolle, Zugriff und Ermächtigung leitet jeden Making-of-Diskurs.